ARS3D African Red Slip Ware digital – 3D-Dokumentation für die multiperspektivische Analyse einer zentralen Objektgattung der Spätantike
Die sogenannte African Red Slip Ware (ARS) ist eine für das Verständnis spätantiker Vorstellungswelten und ihres Wandels, wie auch für die antike Wirtschaftsgeschichte zentrale archäologische Objektgattung. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte dreijährige Projekt befasst sich mit der Digitalisierung der reliefverzierten ARS des Römisch-Germanischen Zentralmuseums (RGZM).
Motivation
Eine für das Verständnis spätantiker Vorstellungswelten und ihres Wandels, wie auch für die Wirtschaftsgeschichte dieser Zeit zentrale Objektgattung ist die sogenannte African Red Slip Ware (ARS). Die reliefverzierte Keramik wurde zwischen dem 3. und 5. Jh. n. Chr. in Nordafrika in großen Mengen hergestellte und in den gesamten Mittelmeerraum bis nach Britannien verhandelt. Den Schalen, Platten, Krügen und Kannen kommt daher eine herausragende Bedeutung zu.
Im Hinblick auf ihre besonderen medialen Qualitäten und das große Erkenntnispotenzial für kulturgeschichtliche Fragestellungen ist die Gattung kaum untersucht, für entsprechende Analysen nur unzureichend erschlossen. Ein Grund hierfür ist die besondere Herausforderung bei der Dokumentation der Objekte und ihres Dekors. Die auf den Gefäßen mittels Reliefappliken angebrachten Darstellungen sind wegen der unterschiedlichen Gefäßkrümmungen mit traditionellen 2D-Dokumentationsmethoden nicht präzise zu erfassen. Zudem fehlt in der einschlägigen Literatur eine standardisierte Ansprache der Motive.
Ziel des Projekts ist es, durch die präzise 3D-Digitalisierung der reliefverzierten ARS des Römisch-Germanischen Zentralmuseums (RGZM) und den Aufbau einer Ontologie einen zum größten Teil noch unpublizierten Bestand auf innovative und nachhaltige Weise für die Forschung zu erschließen und damit nicht nur neue Forschungsfragen zu ermöglichen, sondern auch Dokumentationsstandards zu setzen.
Aktivitäten
Die hochpräzise 3D-Datenerfassung und -prozessierung der ARS Sammlung im RGZM, rund 325 Objekte, ist abgeschlossen. Sie wurde mit dem Streifenlichtprojektionsscanner ATOS TripleScan der Firma GOM in den Laboren des i3mainz durchgeführt. Um die 3D-Modelle mit einer realistischen Oberfläche zu versehen, wurden die Originale im sogenannten „structure from motion“-Verfahren von allen Seite mit der Systemkamera Nikon D800 fotografiert. Nach der Prozessierung, also der Generierung der 3D-Modelle und der anschließenden Verbindung des 3D-Modells und der Fotos miteinander, steht nun für jedes Objekt ein farbechtes texturiertes 3D-Modell für weitere Analysen zur Verfügung.
Während der 3D-Aufnahme und den darauf folgenden Prozessierungsschritten entstehen technische Metadaten, welche dem Nutzer wichtige Informationen über Entstehung und Qualität der Daten liefern. Projektübergreifend erarbeitet derzeit ein Team des i3mainz und RGZM ein Metadatenschema zur Beschreibung des technischen Vorgangs bei der Erstellung der 3D-Modelle.
Für die digitale Darstellung und Bearbeitung der texturierten 3D-Modelle fiel die Wahl auf das open-source Framwork 3DHOP. Wegen der hohen Auflösung der Objekte und der damit verbundenen Dateigrößen bietet es sich an, mit dem NEXUS-Datenformat zu arbeiten, welches die Originaldateien in mehreren Auflösungen speichert. Dem Betrachter wird automatisch die zum aktuellen Ausschnitt passende Auflösung bereitgestellt. Der 3D-Viewer wird unter Verwendung von Webtechnologien wie HTML5 und WebGL weiterentwickelt. Eine Funktion, welche dem Nutzer das interaktive Markieren der Applike im 3D-Modell erlaubt, ist bereits implementiert. Die wissenschaftliche Beschreibung und Interpretation der Objekte durch die Archäologen erfolgt ebenfalls in diesem Schritt.
Ein geometrischer Vergleichsprozess soll helfen, archäologische Fragen, die vom Grad der Ähnlichkeit zweier Appliken abhängen, zu beantworten. Zunächst wird der zu vergleichende Bereich der Applike digital ausgeschnitten, um seine Geometrie zu bestimmen. Denn beim Herstellungsprozess wurde die Geometrie der Appliken durch das Aufbringen auf das jeweilige Gefäß unterschiedlich verformt. Das 3D Modell wird durch eine Projektion in eine 2.5D Darstellung transformiert. Nach Anwendung der Projektion sind Resteinflüsse der Verformung vorhanden, die bei der Bewertung des Ergebnisses in der archäologischen Ähnlichkeitsanalyse zu berücksichtigt sind. Für die weitere Verarbeitung werden die Appliken als 2,5D Bilder gespeichert.
Für den geometrischen Vergleich zweier Appliken werden Näherungswerte für die Abweichungen zwischen den beiden 2,5D Bildern bestimmt. Unter Nutzung eines iterativen Bildvergleichsverfahrens wird die geometrische Beziehung der Vergleichskandidaten ermittelt. Auf dieser Grundlage werden kolorierte Differenzbilder und grafische Darstellungen von lokalen Verschiebungen erstellt. Diese quantitativen und qualitativen Ergebnisse sollen Archäologen bei ihren Interpretationen von möglichen Ähnlichkeiten und daraus folgend, etwa bei der Zuweisung von Artefakten zu Werkstätten helfen.
Die archäologischen Beobachtungen und Interpretationen werden in einer semantischen Struktur, der sogenannten ARS3DOnto zusammengestellt. Die Ontologie bietet den notwendigen Rahmen, um Meta-, Para- und Herkunftsinformationen der aufgenommenen und verarbeiteten 2,5D- und 3D-Daten der African Red Slipware und ihrer digitalisierten und annotierten Anwendungen zu dokumentieren. ARS3DOnto ist soweit möglich an die Konzepte von CIDOC-CRM und den Erweiterungen CRMDig oder CRMSci angelehnt. Neben denen des CIDOC-CRM stellt die Ontologie verschiedene Axiome dar, die für die Definition von ARS und seiner Merkmale erforderlich sind. Diese Axiome sind mit den von CRMs definierten Axiomen entweder durch Klassen, Unterklassen oder andere Beziehungen verbunden. Die derart semantisch strukturierten Inhalte werden in einem RDF-Triplestore gespeichert.
Resultate
Eine virtuelle Plattform fasst alle 3D-Analyse- und Visualisierungswerkzeuge ebenso wie die semantische Struktur ARS3DOnto zusammen. Sie steht projektintern bereits zur Bearbeitung der 3D-Modelle zur Verfügung. Zukünftig sollen auch externe Nutzer die Möglichkeit haben, dort die 3D-Modelle im Viewer zu betrachten und die Ergebnisse der Analysen abzurufen.
Zur Referenzierung und Langzeitarchivierung werden die digitalen Master zusätzlich über die Objektdatenbank Arachne des Deutschen Archäologischen Instituts zugänglich gemacht.