Einsatz moderner Messtechnik als Grundlage für die Rekonstruktion eines bronzezeitlichen Brunnens

Während der Arbeiten einer archäologischen Grabungskampagne der Universität Tübingen stieß man auf einen 3000 Jahre alten Brunnen. Dieser beinhaltet eine Fülle von intakten und verstürzten Holzbalken, die auf Basis moderner Vermessung- und Auswertetechniken dokumentiert werden sollten. Für diese Art der Erfassung kamen Laserscanning und bildgestützte Verfahren zum Einsatz, die den Komplexen Fund in Form von 3D Modellen dokumentieren sollten.
Motivation
Die Ausgrabungen auf dem Ruinenhügel von Tall Misrife, dem alten Qatna, sind Teil eines im Jahr 1999 aus der Taufe gehobenen internationalen Projektes, an dem die Universität Tübingen unter Prof. Dr. Peter Pfälzner federführend beteiligt ist. Der Ruinenhügel von Misrife beherbergt mit einer Fläche von 100 ha die größte bekannte bronzezeitliche Stadtanlage Westsyriens. Schwerpunkt der Ausgrabungen war die Freilegung eines Brunnens, in dem dutzende intakte bronzezeitliche Holzstämme und bearbeitete Holzbalken gefunden wurden, darunter Teile von bis zu 5 Metern Länge. Diese Stücke wurden durch den feuchten Boden im Brunnen über Jahrtausende konserviert und gehörten vermutlich zu einer Dachkonstruktion, die – möglicherweise im Zuge der Zerstörung des Palastes – vor dreieinhalb tausend Jahren einstürzte.
Aktivitäten
Eine umfassende Dokumentation der Holzfunde hinsichtlich ihrer absoluten Fundlage sowie ihrer geometrischen Form durch entsprechendes Messequipment des i3mainz, wurde im Zeitraum von 2008 bis 2012 realisiert. Als Messverfahren dienten dabei das Terrestrische Laserscanning und die 3D Photogrammetrie (Structure from Motion).
Der Einsatzschwerpunkt des Laserscannings bestand darin die fortlaufende Aufnahme der Fundlage zur späteren Rekonstruktion derselben zu erfassen, um somit Rückschlüsse auf die Art und Weise der Zerstörung schließen zu können. Hierbei wurden sechs freigelegt Grabungszustände der Holzversturzlage in Form von 3D Punktwolken erfasst.
Die Photogrammetrie war bevorzugtes Messverfahren für die komplette dreidimensionale Aufnahme aller geborgener Holzteile und dient als Grundlage für die Rekonstruktion der ursprünglichen Holzkonstruktion.
Die Transformation der photogrammetrisch erzeugte 3D-Modelle an die entsprechenden absoluten Fundlagenpositionen im Brunnen erfolgte mit Hilfe der schichtenweise gescannter Bereiche des Brunnens.
Resultate
Das Ergebnis der Arbeiten ist ein detailliertes 3D Modell der Holzversturzlage, dass für Analysen bezüglich zusammengehöriger Holzfragmente bzw. einzelner Hypothesen des Einsturzprozesses dient. Zukünftige Zielsetzungen bestehen darin, ein wissensbasiertes System aufzubauen, welches unter Berücksichtigung interdisziplinären Expertenwissens die Verarbeitung der gewonnenen Informationen und somit die Rekonstruktion des Brunnendaches ermöglicht.